Welche Rolle spielen Begriffe bei der menschlichen Erkenntnis ? Daß wir Menschen uns Begriffen bedienen, um Erkenntnis zu erlangen, ist unumstritten. Doch das Bild vom Ursprung und Wesen der Begriffe hat sich im Lauf der Jahrhunderte gewandelt.
Während der Empirismus die Herkunft der Begriffe aus der Erfahrung erklärte, sah der Rationalismus die Quelle der Begriffe im menschlichen Geist.9.1
Kant leitete die `kopernikanische Wende' ein, und `vereinigte' beide Sichtweisen: Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Und Begriffe ohne Anschauungen sind leer. In diesem Jahrhundert wurde insbesondere durch Wittgenstein und Quine die anscheinend nur holistisch zu verstehende Bedeutung von Begriffen deutlich. Nicht nur in der Wissenschaftstheorie, sondern auch durch die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz wurde die Begriffsproblematik von einem rein formalen Gesichtspunkt her wichtig; formal, d.h. in Absehung eines Bewußtseins, das sich der Begriffe bedient, um Erkenntnis zu erlangen. In KI-Systemen werden Symbole mechanisch manipuliert, die auf Begriffe verweisen.
Im folgenden werden zunächst
neuere erkenntnistheoretische Sichtweisen
von Wittgenstein (Abschnitt 8.1) und Quine
(Abschnitt 8.2) vorgestellt.
Die beiden Philosophen begannen ihre Untersuchungen
auf der Ebene
der faktischen menschlichen Begriffsverwendung.
In Abschnitt 8.3 wird umgekehrt ein System betrachtet, das ein sehr komplexes Verhalten zeigt. Vom Systemverhalten ausgehend, wird analysiert, inwiefern etwas zu unseren menschlichen Begriffen Korrespondierendes in solchen Systemen gefunden werden kann bzw. muß.
Abschnitt 8.4 und 8.5 befassen sich mit der Komplexität von künstlichen neuronalen oder konnektionistischen Systemen, bzw. mit der Fähigkeit von Systemen zur Selbstorganisation von komplexen Strukturen. Abschnitt 8.6 behandelt menschliche Kreativität und die mögliche Übertragung der Kreativität auf Maschinen. Es wird sich zeigen, daß auch für den (gängigen) Kreativitätsbegriff das menschliche Bewußtsein eine tragende Rolle spielt.