Im folgenden wird davon ausgegangen, daß man immerhin von
einer konstanten - allerdings unbekannten -
Wahrscheinlichkeitsverteilung
über alle potentiellen, verschiedenen Sinnesreizungen sprechen kann.
(Die unterschiedlichen
Sinnesreizungen werden auch formal als Objekte bezeichnet.)
In Abbildung 8.6 ist in grau eine Menge
von Objekten zu sehen, die dem System potentiell präsentiert werden
könnten.
Das folgende Ergebnis sagt etwas darüber aus,
inwiefern einfache
selbstorganisierende
Systeme in der Lage sind, bestimmte Klassifikationsfunktionen
hoher Komplexität aus zufällig gezogenen Stichproben von
unklassifizierten Objekten zu gewinnen oder wenigstens
näherungsweise zu gewinnen.
Der Leser, der sich nicht für den Formalismus interessiert,
möge gleich hinter
Theorem 4 springen.
Sei X eine unendliche Menge von Objekten und
diejenige Teilmenge von X, die die ersten n Objekte enthält.
Xn sei die Menge von Objekten, die von dem sich
selbstorganisierenden
System S zu klassifizieren sind.
Eine -Approximation einer Klassifikationsfunktion ftklassifiziert ein zufällig ausgesuchtes Objekt x höchstens mit der Wahrscheinlichkeit anders als ft.
Wenn eine wichtige Klassifikationsfunktion für lebenserhaltende Klassifikationen der Umweltsituationen nicht hinreichend gut durch das selbstorganisierende System approximiert wird, so ist die Wahrscheinlichkeit entsprechend groß, in Lebensgefahr zu geraten.
Das folgende Theorem gibt eine Obergrenze für die Komplexität von
approximierbaren Klassifikationsfunktionen in selbstorganisierenden Systemen
an.
KYn(ft) ist dabei grob gesagt9.30
die Kolmogoroffkomplexität der zu bestimmenden
Zielklassifikationsfunktion.
Es gibt kein selbstorganisierendes System S, das für jede beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung Pn über Xneine Funktion faus einer zufällig nach Pn gezogenen Stichprobe der Größe s bestimmt, so daß f die Zielfunktion ft mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens -approximiert.
Beweis:
Siehe Freivalds & Hoffmann HoffmannFreivalds[FH92].
Das Theorem deutet an, daß es bestimmte Grenzen einer
zuverlässigen Selbstorganisation gibt: daß ein System ohne
hinreichende Vorinformation, nicht in der Lage ist, durch reine
Beobachtung unklassifizierter Objekte zu einer zweckorientierten
wesentlich komplexeren Struktur zu gelangen.
Es beschränkt die Komplexität der approximierbaren
Klassifikationsfunktionen
im wesentlichen auf die Komplexität des Systems selbst !
Nur ein geringer Teil (
)
geht über die
bereits vorher vorhandene Systemkomplexität K(S) hinaus.
Die Voraussetzungen, die in das obige Theorem eingehen, sind natürlich nicht immer erfüllt. Einerseits ist gefordert, daß eine konstante Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Objekten besteht - sie könnte mit der Zeit Veränderungen unterworfen sein. Andererseits geht der Beweis des Satzes auf eine Betrachtung des schlechtesten Falls zurück, hier auf die jeweils ungünstigste Wahrscheinlichkeitsverteilung über die für eine gute Approximation wesentlichen Objekten. Es ist somit nicht ausgeschlossen, daß ein selbstorganisierendes System in der Praxis bessere Klassifikationsleistungen erbringt. Ein weiterer Einwand mag die Annahme betreffen, daß es nur eine Zielfunktion gibt, die approximiert werden soll. Es ist durchaus möglich, daß es eine ganze Reihe von unterschiedlichen aber gleichermaßen viablen Klassifikationsmöglichkeiten gibt, die wahlweise approximiert werden können sollten.