Die Phänomenologie ist im weiteren Sinne die Wissenschaft von Phänomenen oder Erscheinungen. Da die Gegenstände sich uns jedoch im Bewußtsein offenbaren, heißt Phänomenologie im engeren Sinne die Wissenschaft von den sich im Bewußtsein offenbarenden Phänomenen. Als eine eigene Richtung der Philosophie wurde die Phänomenologie von Edmund Husserl begründet. Husserls Ziel war es, eine unanfechtbare Grundlage für alle Wissenschaften zu gewinnen, wozu er die phänomenologische Methode entwickelte.8.1
Die phänomenologische Methode teilt sich dabei in zwei Schritte:
Die Phänomenologie betrachtet ihre Gegenstände immer nur als Korrelate des Bewußtseins. Somit bleibt lediglich das reine aber keineswegs leere Bewußtsein übrig.
Nach Husserl gliedert sich das Bewußtsein in Bewußthaben (Noesis) und Bewußtes (Noema). Das Bewußte wird erst durch die Noesis als Gegenstand konstituiert. Darum kann das Bewußte (Noema) in unmittelbarer Wesensschau oder Ideation erfaßt und beschrieben werden. Damit ist die Philosophie als eine rein deskriptive Wesenslehre der immanenten Bewußtseinsgestaltung zu definieren. Da alle Erfahrungsgegenstände durch die ihnen zugrunde liegenden Wesensheiten normiert werden, entspricht jeder empirischen Wissenschaft eine eidetische Wesenswissenschaft oder eine regionale Ontologie. Alle Regionen (Gegenstandsgebiete) aber gründen ihrerseits im reinen Bewußtsein. Damit ist aber die Philosophie die Wissenschaft vom reinen Bewußtsein und damit auch als erste Wissenschaft zu sehen.
Während Husserls Phänomenologie sich vor allem dem Wahrheitsproblem widmete, wandte sich M. Scheler der Wertphilosophie zu.8.3 An Stelle von Husserls theoretischer Ideation tritt bei Scheler das Wertfühlen. Diese muß als nichtverstandesmäßige Erfassung von Werten vorgestellt werden.
Mit Martin Heidegger, der Schüler Husserls war, wandelte sich endlich die Phänomenologie radikal zur Existenzphilosophie:
Das Wesen des Seins ist nicht überzeitlich ruhendes Bewußtsein, sondern Geschichtlichkeit und Zeit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Phänomenologie besonders in Frankreich, Belgien und Nordamerika weiterentwickelt und setzte sich fort in einer existenziellen Phänomenologie (z.B. M. Merleau-Ponty u.a.).