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Ist eine subsymbolische Ebene notwendig ?

Die Bedeutung zusammengesetzt-symbolischer Modelle kognitiver Prozesse sollte nicht unterschätzt werden, selbst wenn ihr Wert nur daher rührt, daß nicht zusammengesetzte Ansätze bisher keine plausible Alternative lieferten.5.17 Trotzdem gibt es beim zusammengesetzten symbolischen Ansatz theoretische Überlegungen, die zur Postulierung einer subsymbolischen Ebene führen. Auf der einen Seite scheint einigen Autoren das Problem der Referenz - auch im Fall der zusammengesetzten symbolischen Ansätze - eine Ebene subsymbolische Prozesse erforderlich zu machen.5.18 Fodor Fodor[Fod80] geht zwar in einer solipsistischen Sichtweise davon aus, daß die einzigen funktionalen Beziehungen, die für eine präzise Theorie des Geistes erforderlich sind, lediglich diejenigen sind, die zwischen den Symbolen innerhalb eines Modells kognitiver Prozesse bestehen. Somit sind alle semantischen Aspekte, wie der der Referenz für eine solche Theorie irrelevant. Fodors These ist allerdings nicht unumstritten. So schreibt beispielsweise Harman:
of primary importance are functional relations to the external world in connection with perception, on the one hand, and action, on the other5.19

Harman geht dabei allerdings nicht näher auf diese Beziehungen ein. Auch Sloman und Cohen SlomanCohen[SC86] sehen eine Notwendigkeit, das Phänomen der Referenz von Symbolen zu klären.     Frixione et al. Frixione[FSG89] versuchen diese Verbindung der Symbole zu dem auf das sie referieren, auf einer subsymbolischen Ebene zu erklären. Es wurde oben angedeutet, wie eine modelltheoretische Semantik für Modelle des ersten Typs angegeben werden kann, wobei die Modelltheorie allerdings nicht für sich in Anspruch nimmt, eine empirisch adäquate Theorie für die Referenz in kognitiven Prozessen sein zu können. Frixione et al. sehen darüber hinaus auch einige a priorische Grenzen der Modelltheorie. Die empirische Inadäquatheit zunächst hängt mit der Tatsache zusammen, daß Menschen die Referenz komplexer symbolischer Gebilde nicht nach den Regeln ihres syntaktischen Aufbaus zu bilden scheinen. Dies wird allerdings bereits spätestens durch Wittgensteins Spätphilosophie, seinen Philosophischen Untersuchungen Wittgenstein[Wit53] deutlich. Das Problem klingt aber auch schon im Tractatus an. In letzterem heißt es:

Der Mensch besitzt die Fähigkeit Sprachen zu bauen, womit sich jeder Sinn ausdrücken läßt, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie und was jedes Wort bedeutet. - Wie man auch spricht, ohne zu wissen, wie die einzelnen Laute hervorgebracht werden.

Die Umgangssprache ist ein Teil des menschlichen Organismus und nicht weniger kompliziert als dieser.

Es ist menschenunmöglich, die Sprachlogik aus ihr unmittelbar zu entnehmen. Die Sprache verkleidet den Gedanken. Und zwar so, daß man nach der äußeren Form des Kleides nicht auf die Form des bekleideten Gedankens schließen kann; weil die äußere Form des Kleides nach ganz anderen Zwecken gebildet ist als danach, die Form des Körpers erkennen zu lassen.5.20

Mit den a priori Grenzen der modelltheoretischen Semantik sind allerdings Grenzen gemeint, die gleichermaßen für nicht antropomorphe, intelligente Wesen gelten würden. Frixione et al. Frixione[FSG89] weisen hierbei auf das folgende Problem hin: Wenn eine Interpretationsfunktion angebbar sein soll, die Werte für komplexe Ausdrücke bestimmt, so muß sie in gewissem Sinn `gewußt' werden können. Da es sich dabei um Funktionen handelt, die Symbole auf Objekte der Welt abbilden, kann eine solche Funktion nicht ausschließlich durch Symbole beschrieben werden, da dies einen unendlichen Regreß implizieren würde. Daher, so schließen Frixione et al. Frixione[FSG89], muß es für die Interpretation zumindest von einigen Symbolen des Systems (den atomaren Ausdrücken) eine `subsymbolische' Realisierung geben. Eine derartige Realisierung könnte nach Frixione et al. durch Ein-/Ausgabenetzwerkknoten in einem konnektionistischen Modell geschehen, denen keine konkrete Bedeutung zugeordnet werden kann.5.21


Andere Gründe als Probleme der Referenz sieht Smolensky Smolensky[Smo88,Smo90] für die Postulierung einer subsymbolischen Ebene:

Die eigentliche Motivation Smolenskys für die Suche nach konnektionistischen Alternativen ist die Hoffnung, daß man durch solche Alternativen den Zielen der Kognitionswissenschaft näher kommt. Hierbei meint Smolensky insbesondere, daß man Modelle entwickelt, die intuitive kognitive Aktivitäten erklären. Dazu zählt er alle Aktivitäten außer die des bewußten Regelfolgen; zum Beispiel Sprechen in der Muttersprache, das Urteilen in alltäglichen Situationen oder kreative Tätigkeiten, wie Dichten oder auch das Beweisen eines mathematischen Satzes. Ein bewußtes Regelfolgen könnte das Kochen nach den Rezepten eines Kochbuches sein oder die Anwendung eines bisher noch nicht geläufigen Rechenverfahrens. Smolensky sieht das Wissen, das in konnektionistischen Modellen enthalten ist, in den unterschiedlich starken Verbindungen zwischen den einzelnen Knoten eines Netzwerkes. Somit schlägt er die folgende Hypothese als Alternative zur symbol system hypothesis zur Erklärung, Beschreibung und Modellierung intuitiver kognitiver Aktivitäten vor:

(8) a.
The connectionist dynamical system hypothesis:  

The state of the intuitive processor at any moment is precisely defined by a vector of numerical values (one for each unit). The dynamics of the intuitive processor are governed by a differential equation. The numerical parameters in this equation constitute the processor's program or knowledge. In learning systems, these parameters change according to another differential equation.5.22

Dazu schlägt er die folgende korrespondierende Hypothese vor, die den Zusammenhang zwischen den unbewußten Prozessen und den bewußt werdenden kognitiven Phänomenen zumindest im Prinzip erklären können soll:

(8) b.
The subconceptual unit hypothesis:  

The entities in the intuitive processor with the semantics of conscious concepts of the task domain are complex patterns of activity over many units. Each unit participates in many such patterns.5.23

Smolensky sieht zumindest als ein wesentliches Ziel der Kognitionswissenschaft die Entdeckung der Prinzipien an, die den folgenden Dingen zugrunde liegen:

1.
Die `subbegriffliche' Repräsentation in unterschiedlichen Problembereichen.
2.
Die Vorgänge, die die Gewichtungen der verschiedenen Verbindungen in konnektionistischen Netzwerken verändern und dabei das Gesamtverhalten des Netzwerkes an äußere Anforderungen anpaßt; also die Lernprozesse in Netzwerken.

3.
Der angemessenen Wahl von Beschreibungsmerkmalen der Phänomene in dem jeweils zu modellierenden Problembereich.

Smolensky geht davon aus, daß die Lernprozesse in konnektionistischen Netzwerken selbsttätig die einzelnen `subbegrifflichen' Repräsentationen erzeugen, die für die äußeren Anforderungen angemessen sind. Somit würde man vermutlich aus den Erkenntnissen zum zweiten Punkt wichtige Rückschlüsse auf den ersten Punkt machen können.

Weiterhin erhofft sich Smolensky aus den noch zu findenden allgemeinen Prinzipien der `subbegrifflichen' Betrachtungs- und Beschreibungsebene, Aufschlüsse über die neuronalen Prozesse, die kognitive Phänomene hervorbringen. Die Paralellen zwischen der `subbegrifflichen Ebene' und der neuronalen Ebene sieht er darin, daß in beiden Fällen Berechnungen an sehr vielen Stellen gleichzeitig und insgesamt hochkompliziert und dynamisch ablaufen. Smolensky will hiermit zunächst einmal Forschungsziele für die Kognitionswissenschaft unter einem konnektionistischen Paradigma aufstellen. Smolenskys Ziel ist es somit, die allgemeinen Prinzipien  zu entdecken, die unter anderem dem, was Pylyshyn als die `kognitive funktionale Architektur' bezeichnet, zugrunde liegen. Denn die spezifische Art und Weise der Symbolmanipulation, bei der die Symbole intentionale Einstellungen repräsentieren, muß man wohl auch zu den intuitiven kognitiven Fähigkeiten zählen. Pylyshyn ordnet die durch Symbole repräsentierten intentionalen Einstellungen auf der intentionalen Ebene an. Die Art und Weise, wie diese Symbole manipuliert werden, wird von der kognitiven funktionalen Architektur bestimmt.


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Achim Hoffmann
2002-07-12