Die Rede von einer festen funktionalen Architektur, wobei die einzelnen Funktionen kognitiv unbeeinflußbar sein müssen, heißt nicht, daß sich die elementaren Funktionen überhaupt nicht beeinflussen lassen. Vielmehr ist damit gemeint, daß sie unbeeinflußbar gegenüber einer bestimmten eingeschränkten Klasse von Faktoren sind - nämlich kognitiven Faktoren wie Änderungen in Meinungen, Zielen usw. Somit darf die feste funktionale Architektur also durch nichtkognitive Faktoren (z.B. Einnahme von Medikamenten, besondere körperliche Zustände, usw.) beeinflußt werden. Umgekehrt läßt sich Pylyshyns Bedingung der kognitiven Beeinflußbarkeit ganz allgemein so angeben:
Eine Ein-/Ausgabefunktion ist kognitiv beeinflußbar, wenn die Veränderungen dieser Funktion durch vorhergehende Ereignisse erklärt werden können, die sich durch ein kognitives Vokabular beschreiben lassen. Erklärt werden heißt hier, unter einer gesetzesartigen Generalisierung subsumiert zu werden.
Die angegebene Bedingung für die Zuordnung einer Funktion zur funktionalen Architektur ist eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung.
Bei der empirischen Erforschung der kognitiven funktionalen Architektur sollten nach Pylyshyn die folgenden Dinge beachtet werden: Wenn Unterschiede in den kognitiven Prozessen verschiedener Menschen festgestellt werden, so sollte die angenommene innere grundlegende funktionale Architektur insofern universell sein, daß all diese kognitiven Prozesse mit ihr erklärt werden können. Dabei sollen verschiedenen Menschen lediglich unterschiedliche Inhalte in den Repräsentationen bzw. in den Algorithmen zugesprochen werden müssen. In diesem Zusammenhang lassen sich Pylyshyns Kriterien, unter denen eine bestimmte Funktion oder eine Verhaltensweise nicht der funktionalen Ebene, sondern der repräsentationalen Ebene zugeordnet werden muß, wie folgt zusammenfassen:
Die beiden obigen Bedingungen sollen also die Grenzlinie zwischen der Architektur- und der Algorithmusebene ziehen. Diese Grenzlinie ist nach Pylyshyn deshalb von so fundamentaler Bedeutung für die Kognitionswissenschaft, weil sie die Verwendung des Begriffs der Symbolverarbeitung als buchstäbliche Beschreibung von kognitiven Prozessen im Gegensatz zu einer bloß metaphorischen Beschreibung erst möglich macht.
In diesem Abschnitt wurde Pylyshyns methodologischer Vorschlag
für die Erforschung einer kognitiven funktionalen Architektur
dargestellt.
Auf dieser kognitiven funktionalen Architektur, so Pylyshyns Ziel,
läßt sich dann eine bestimmte Klasse von Phänomenen
(die kognitiven Prozesse) durch formale Symbolmanipulation erklären.
Eine Einschätzung seiner Konzeption aufgrund der in dieser Arbeit angestellten Betrachtungen findet sich in Abschnitt 6.2 und in Kapitel 10.
Daß sich menschliche Intelligenzleistungen durch Symbolmanipulationen
erklären lassen, ist allerdings nicht unumstritten.
Insbesondere aus phänomenologischer Sicht wurden starke Einwände
erhoben, welche in Kapitel diskutiert werden.
Es gibt aber auch noch andere Einwände.
Im folgenden Abschnitt wird die Frage diskutiert, inwiefern sich die
für Intelligenzleistungen relevanten Phänomene überhaupt
durch symbolische Repräsentationsformalismen beschreiben lassen.