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Funktionale Architektur und kognitive Prozesse

Bei der Simulation von kognitiven Prozessen fordert Pylyshyn eine starke Äquivalenz. Es soll nicht nur das gleiche Ergebnis bei der Simulation herauskommen, sondern die einzelnen Simulationsschritte sollen zu den tatsächlichen Schritten des zu simulierenden kognitiven Prozesses korrespondieren. Damit werden an die Computersimulation bei kognitiven Prozessen wesentlich höhere Ansprüche als sonst gestellt. Ein adäquates Computermodell muß die funktionale Architektur, auf dem der kognitive Prozeß abläuft, widerspiegeln, um darauf aufbauend den repräsentationalen Charakter von Meinungen, Wünschen, Zielen usw., die für den kognitiven Prozeß wesentlich sind, entsprechend darstellen zu können.

Was ein einzelner Schritt eines kognitiven Prozesses ist, hängt damit von der funktionalen Architektur ab, die die einzelnen Elementaroperationen zur Verfügung stellt. Dies ist mit den einzelnen elementaren Befehlen einer Programmiersprache zu vergleichen. Die besagte funktionale Architektur ist bei Computern in der Regel elektrisch realisiert, bzw. sie wird durch elementare kleine Programme auf niedriger Programmierebene (Maschinenebene) realisiert. Eine solche funktionale Architektur, die nicht direkt elektrisch realisiert ist, sondern durch kleine elementare Programme nur die äußere Form einer unmittelbar physikalisch (, z.B. elektrisch) realisierten funktionalen Architektur hat, wird auch virtuelle Maschine genannt.

Pylyshyn geht davon aus, daß beim Menschen die elementaren Operationen seiner (kognitiven) funktionalen Architektur durch den neurophysiologischen Aufbau seines Gehirns bereitgestellt werden. Inwiefern diese elementaren Operationen ihrerseits wiederum durch einen subkognitiven Prozeß beschrieben werden können, soll uns an dieser Stelle nicht interessieren.

Die Computersimulation soll also den gleichen Algorithmus ausführen, der bei dem menschlichen, kognitiven Prozeß abläuft.5.8 Das heißt, der Startzustand repräsentiert eine bestimmte Menge von Meinungen, Zielen, etc. und jeder Zwischenschritt bis zum Erreichen des Endzustands des Algorithmus repräsentiert wiederum eine Menge von Meinungen usw., die ihre Entsprechung in einem Zwischenschritt des tatsächlich ablaufenden kognitiven Prozesses finden.

Bei diesem Anspruch, dessen Erfüllung Pylyshyn als das Ziel der Kognitionswissenschaft ansieht, tritt allerdings das folgende grundsätzliche Problem auf: Woher weiß man - außer durch wenig fundierte methodologische Annahmen - wie die funktionale Architektur aussieht, und welcher Art die darauf basierenden Regeln und die Repräsentationen von Meinungen, Zielen usw. sind ?

Wie die funktionale Architektur aussieht, ist allerdings nicht das einzige Problem. Bei der Verwendung von Symbolverarbeitungsmodellen als Erklärungen von kognitiven Prozessen ist noch ein weiteres schweres Problem zu lösen:

Es ist eine Menge von Phänomenen zu isolieren, die das Symbolverarbeitungsmodell konstituieren und mittels derer die kognitiven Prozesse erklärt werden können. Dabei ist zu unterscheiden, wie die funktionale Architektur einerseits und der symbolverarbeitende Prozeß auf der funktionalen Architektur andererseits aussehen.

Zunächst soll der Einfluß der funktionalen Architektur auf den kognitiven Prozeß näher betrachtet werden: Die Beschreibungsebene der funktionalen Architektur liegt zwischen der physikalischen und der repräsentationalen Beschreibungsebene. Da es für das zu entwickelnde Symbolverarbeitungsmodell keine Rolle spielen darf, wie der Prozeßablauf physikalisch realisiert ist, muß die funktionale Architektur folglich unabhängig von physikalischen Phänomenen beschrieben werden. Andererseits muß die funktionale Ebene auch unabhängig von den Inhalten der Repräsentationen sein. Es muß sich dabei also um ein nicht interpretiertes Regelschema handeln.

Trotz der genannten Einschränkungen bleibt ein gewisser Spielraum für die zu beschreibende funktionale Ebene. Man könnte die funktionale Ebene auch die virtuelle kognitive Maschine nennen, um es mit dem Aufbau eines Computersystems zu vergleichen. Damit wäre zu klären, wie die relevanten primitiven Operationen der virtuellen kognitiven Maschine aussehen ? Im nächsten Abschnitt wird Pylyshyns Kriterium für die Trennung von funktionaler Architektur und den repräsentierten intentionalen Zuständen erläutert.


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Achim Hoffmann
2002-07-12