Bereits vor der eigentlichen Geburtsstunde der künstlichen Intelligenz 1956
fragte A. M. Turing nach ihren Grenzen !
In seinem Artikel Computing machinery and intelligence
Turing[Tur50]
diskutierte
Turing verschiedene Einwände gegen die Behauptung, daß Maschinen
denken können. Schlußendlich kam Turing zu der Ansicht,
daß es keinen Grund gibt, Maschinen Denkfähigkeit abzusprechen,
wenn sie nur einen bestimmten Test, bei dem die Maschine menschliches
Verhalten imitieren soll, bestehen.
Dieser Test ist heute auch als Turingtest 10.1
bekannt.
Dabei wird eine Person A in einem abgeschirmten Raum gebeten,
über einen Fernschreiber Fragen an jeweils eines von zwei
Systemen B bzw. C zu richten. Hinter einem
der Buchstaben versteckt sich
ein Mensch und hinter dem anderen eine Maschine, die
auf die jeweils gestellten Fragen antworten werden.
(Siehe Abbildung 9.1.)
Die Frage nach den Grenzen der künstlichen Intelligenz wird allerdings
keineswegs
einheitlich - z.B. in der Form des Turingtests - gestellt. Die meisten Fragetypen
lassen sich wie folgt paraphrasieren:
Welche dieser Formulierungen man auch betrachtet, es kommt - neben eventuell zusätzlichen Fragen10.6 - immer wieder die Frage zur Diskussion, ob eine algorithmische Beschreibung menschlicher Intelligenzleistungen möglich ist ?10.7
In jedem Fall fällt auf, daß auch diese eingeschränkte Fragestellung immer noch sehr vage ist. Es ist zwar klar, was unter einem Algorithmus, einer Maschine10.8 bzw. unter einer algorithmischen Beschreibung verstanden wird. Jedoch ist zunächst unklar, was menschliche Intelligenzleistungen sein sollen. Hier sind gleich mehrere häufig nicht weiter erläuterte Probleme versteckt.
Wenn man Schachspielen als Beispiel betrachtet, so kann man festhalten, daß bereits vor einigen Jahren, Schachprogramme entwickelt worden waren, die der Leistung eines durchschnittlichen Menschen deutlich überlegen waren [Lev88b]. Einige Jahre später waren auch die meisten Experten (Meisterspieler) von Schachprogrammen übertroffen worden [MS90]. Heute wird an Schachprogrammen gearbeitet, die den Weltmeister besiegen sollen [HACN90]. Zur Zeit können nur noch ein paar hundert Spieler in der Welt mit dem derzeit stärksten Schachprogramm einigermaßen mithalten [HACN90].
Allgemeiner gesprochen, kann man die folgenden Fragetypen unterscheiden:
In der Regel wird der Fragetyp d) betrachtet, wenn gegen die Möglichkeit einer menschlichen Intelligenz argumentiert wird. Insgesamt ist allerdings festzuhalten, daß häufig eine Anspruchshaltung an maschinelle Intelligenz vertreten wird, der zumindest die allermeisten Menschen nicht genügen würden. Man denke nur beispielsweise an die alltäglichen Fehldiagnosen in der medizinischen Praxis. Oder die fehlerhaften Gedankengänge bei mathematischen Beweisen oder sonstigen intellektuellen Tätigkeiten.
Hier wird wohl jeder schnell einräumen, daß eine praktische Entscheidung von größeren Formeln zu den Lebzeiten eines Mathematikers nicht möglich ist. Was heißt es aber dann, die Entscheidung könne prinzipiell korrekt getroffen werden.
Die genannten Vagheiten lassen einigen Spielraum für Spekulationen. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Annahme, daß menschliches Denken nicht algorithmisch sei, auch impliziert, daß wir Menschen kein Mittel der exakten Beschreibung des Denkens haben.10.12 Mithin wir zumindest bestimmte Charakteristika unserer Denkprozesse immer nur metaphorisch beschreiben können.10.13