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Der Allgemeinbegriff von `Intelligenz'

Was haben Prinzipien der Intelligenz oder Prinzipien kognitiver Systeme mit Allgemeinbegriffen, mit Universalien zu tun ?

Einerseits stellt sich die Frage nach der Gesamtheit der Intelligenzphänomene, wenn eine umfassende Theorie entwickelt werden soll. Andererseits zählt auch die Klärung gerade dieser Frage selbst zu den Intelligenzphänomenen, und zwar in zweifacher Weise: Erstens: im täglichen Umgang müssen Phänomene als Intelligenzphänomene erkannt werden - beispielsweise beim Umgang mit bzw. der Einschätzung von Mitmenschen. Zweitens: bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Intelligenzphänomen muß die Gesamtheit der zu untersuchenden Phänomene erfaßt werden.

Sowohl in der künstlichen Intelligenz als auch in der Kognitionswissenschaft geht es darum, Prozesse zu beschreiben, die Kognitionen zugrunde liegen, bzw. die geeignet sind, die Ergebnisse kognitiver Prozesse zu erzielen. Zur präzisen, operationalen Beschreibung von Prozessen, bei denen die Ergebnisse effektiv berechnet werden können, steht uns nur der Begriff des Algorithmus z.B. in Form einer Turingmaschine   zur Verfügung.6.12

Will man nun Prinzipien kognitiver oder intelligenter Prozesse bestimmen, so hat man dabei die folgende Aufgabe:

Zum einen soll die Beschreibung der Prinzipien kurz sein - anderenfalls ist sie unübersichtlich und kaum verstehbar. Weiterhin sollen die Prinzipien ja so etwas wie die `Kernalgorithmen' der kognitiven Prozesse sein,   während zusätzlich erforderliche Beschreibungen weniger wichtiges `Beiwerk' sind.

Das heißt, die Aufgabe besteht darin, aus einer der möglichen sehr umfangreichen Beschreibungen kognitiver Prozesse - oder zumindest aus einer Beschreibung der Ergebnisse kognitiver Prozesse - einen kleinen Teil der Beschreibung als den `Kern der Algorithmen' auszusuchen und als Prinzipien zu bestimmen.

Bei einer sehr langen Zeichenkette, in welcher die geforderte Beschreibung der kognitiven Prozesse codiert ist, gibt es eine ungeheuer große Zahl von Möglichkeiten,6.13 einen kleinen Teil davon auszusuchen und als Prinzipien zu deklarieren. Man könnte beispielsweise die `Prinzipien' in einer Spezialmaschine von der `Software' in die `Hardware' verschieben, ohne dabei die resultierende Funktionalität des Gesamtsystems zu verändern.

Genau dies ist ja die Idee Pylyshyns für eine Grundlegung der Kognitionswissenschaft.6.14 Diese Spezialmaschine entspricht bei den rein theoretischen Betrachtungen, der Definition einer entsprechenden - eventuell universellen - Turingmaschine, die nur noch den verbleibenden Teil der ursprünglichen Zeichenkette als Programm benötigt. Bei der Ausführung dieses Programms wird dann genau die ursprünglich intendierte Funktionalität erreicht.

Wie dem auch sei, es gibt jedenfalls keine logischen, keine zwingenden Gründe, gerade irgendeinen bestimmten Teil der ursprünglichen Zeichenkette als `Prinzipien' zu akzeptieren.

Vielmehr können nur universalistische Vorstellungen von `Intelligenz' oder `kognitiven Prozessen' als Gründe für die Bestimmung bestimmter `Kernalgorithmen' als die Prinzipien herhalten. Denn die Bestimmung von `Kernalgorithmen' setzt eine umfassende Betrachtung des Intelligenzphänomens voraus - schließlich sollen sie ja zur Erklärung aller denkbaren Intelligenzphänomene brauchbar sein.

Es ist also eine Vorstellung von Intelligenz oder von kognitiven Prozessen erforderlich, die eine unendliche Menge von `erwünschten' Ein-/Ausgabewertepaaren identifiziert. Dadurch erst kann sich ein bestimmter Teil der algorithmischen Information als `Prinzipien' herauskristallisieren. Sonst - bei einer nur endlichen Menge - könnte man keinen klaren Unterschied zwischen einem systematischen Verfahren, das die Intelligenzleistungen hervorbringt, und dem Nachschlagen in einer sehr großen, aber endlichen Tabelle machen.6.15
Dies entspricht der Forderung bei der Universalie von beispielsweise Tisch Kriterien zu bestimmen, die es ermöglichen, Tische von anderen Objekten zu unterscheiden. Bei dem Begriff Intelligenz ist der Sachverhalt abstrakter - jedoch besteht auch hier das Problem, woher die universelle Vorstellung kommt und wie sie begründet werden kann. In der Tat gehört die Subsumption einer individuellen Inetlligenzleistung  unter die Intelligenzphänomene ebenso wie die universelle Vorstellung und deren Begründung zu dem zu charakterisierenden Phänomenbereich.

Wenn gefordert wird, den Gegenstandsbereich der künstlichen Intelligenz scharf abzugrenzen, so ist es nicht nur so, daß - wie sonst üblich - verschiedene kognitive Leistungen als intelligent erkannt werden sollen. Hingegen wird auch noch vom erkennenden Subjekt verlangt, daß es selbst seinen Begriff von Intelligenz soweit vollständig operationalisiert, daß ein Formalismus - eine Turingmaschine - erkennen kann, ob eine Leistung als intelligent zu bezeichnen ist. Somit muß also die gesamte Begriffsextension expliziert werden.

Da sich jedoch keine unendliche Zahl von Instanzen faktisch aufzählen läßt, ja nicht einmal eine größere Anzahl davon, so bleibt nur eine allgemeine Beschreibung, die bestimmte Erkennungsmerkmale nennt; beispielsweise die als `Prinzipien' behaupteten Strukturen !


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Achim Hoffmann
2002-07-12