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Intentionen und formale Symbolverarbeitung

Nach der von Pylyshyn vorgeschlagenen Trennung einer semantischen Ebene von einer syntaktischen oder funktionalen Ebene in der Kognitionswissenschaft, wäre Denken als Symbolverarbeitung zu begreifen. Der Gedanke, daß Kognitionen als regelgeleitetes Manipulieren von Symbolen aufgefaßt werden können, also Denken als Informationsverarbeitung verstanden werden kann, steht nun mittlerweile seit mehr als zwei Jahrzehnten im geistigen Umfeld der Kognitionswissenschaft.5.5

Zunächst soll mit einer informellen Diskussion der Behauptung begonnen werden, daß bestimmte Arten des menschlichen Verhaltens durch Repräsentationen (z.B. von Meinungen, Zielen,...) bestimmt werden. Hierbei ist gemeint, daß Symbole, die auf eine unbestimmte Art physikalisch realisiert sind, Meinungen, Ziele, Wünsche, Hoffnungen, usw. repräsentieren. Mithin unterscheidbare Symbole stellvertretend für unterscheidbare Meinungen, Ziele, usw. stehen. Aus diesem Grund werden häufig mentale Prozesse als Symbolmanipulationsvorgänge betrachtet. Zunächst soll auf mögliche Vorteile einer repräsentationalen Beschreibungsebene hingewiesen werden.

Die meisten Menschen besitzen eine implizite, ausgeprägte und sehr erfolgreiche kognitive Theorie. Sie können dadurch einen enormen Bereich menschlichen Verhaltens systematisieren und korrekte Vorhersagen machen. Obwohl es genug Fehler und Irrtümer in dieser Alltagspsychologie gibt, übertrifft sie bei weitem die gegenwärtige wissenschaftliche Psychologie sowohl in ihrem Anwendungsbereich als auch in ihrer Präzision. Das Interessante dabei ist das mentalistische Vokabular der Alltagspsychologie sowie die zugrundegelegte Taxonomie von Dingen, Verhalten, Ereignissen usw.. Die Abstraktionen, die sich in den Begriffen der Alltagspsychologie zeigen, und insbesondere deren repräsentationaler Charakter (z.B. subjektive Meinungen, Ziele, Interpretationen, etc.) erscheint außerordentlich gut geeignet, um die Generalisierungen aus dem Bereich der kognitiven Psychologie zu erfassen. Es scheint, daß kognitive Phänomene durch Meinungen, Absichten etc. erklärt werden müssen, da bestimmte Regelmäßigkeiten menschlichen Verhaltens nur durch solche Begriffe erfaßt werden können.

Wenn beispielsweise eine Person Gefahr verspürt, wird sie versuchen sich von der Gefahrenquelle zu entfernen. Diese Generalisierung hat eine unüberschaubare Zahl von Instanzen. Angenommen eine Person weiß allgemein, wie sie sich aus einem Gebäude entfernen kann. Wenn sie glaubt, daß das Gebäude brennt, in dem sie sich befindet, so wird sie sich das allgemeine Ziel setzen, das Gebäude zu verlassen. Dabei wird sie ihr Wissen dazu verwenden, die einzelnen Schritte dieser Handlung zu bestimmen und auszuführen. Eine solch einfache Regularität wird sich kaum ohne mentalistische Begriffe wie meinen, glauben, etc. beschreiben lassen.

Denn es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten zu wissen, wie man ein Gebäude verläßt oder zu glauben, daß es brennt. Jede dieser unterschiedlichen Möglichkeiten würde auf einer anderen Beschreibungsebene, z.B. auf einer neurophysiologischen Ebene, vollkommen unterschiedliche kausale Ketten von Ereignissen hervorrufen. Damit würden jedoch die psychologisch relevanten Generalisierungen in der Vielzahl von unterschiedlichen Ereignisketten verloren gehen. Es ist sicher kein Zufall, daß die Systematisierung des menschlichen Verhaltens durch ein Vokabular geschieht, das auf interne Repräsentationen von Meinungen, Absichten, Zielen usw. referiert.

Wenn jemand beispielsweise einen Text schreibt, so hat er dabei die Absicht einige Aussagen zu machen und nicht etwa irgendwelche Tintenkleckse zu fabrizieren, die allerdings bei der Handlung auch noch entstehen. Eine Theorie, die die Fingerbewegungen in den Vordergrund stellt, könnte nicht erklären, warum jemand plötzlich ganz andere Bewegungen macht, wenn seine Schreibmaschine kaputt ist und er deswegen zu Papier und Bleistift greift. Die Alltagspsychologie hat natürlich auch einige Schwächen, wenn man an sie den Anspruch stellt, eine wissenschaftliche Theorie zu sein. Es mag hier eine Menge von überflüssigen oder bedeutungslosen Begriffen geben und viele Erklärungen mögen auch unvollständig oder zirkulär sein. Die schwerwiegendste Schwäche scheint jedoch die Tatsache zu sein, daß die Menge von losen Generalisierungen die dieses informale Wissen ausmacht, nicht zu einem expliziten System verbunden ist, woraus systematisch Aussagen abgeleitet werden könnten.


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Achim Hoffmann
2002-07-12