Angenommen es gibt tatsächlich bestimmte Systemstrukturen, die sich aufgrund analoger und/oder asynchroner Eingangssignale in einer geeigneten Umgebung durch selbstorganisierende Eigenschaften zu intelligenten Systemen entwickeln können. Seien diese Systeme durch die folgenden Minimalvoraussetzungen charakterisiert, die von den Beschränkungen des Turingmaschinenmodells weitestgehend absehen:
Aus diesen schwachen Voraussetzungen läßt sich bereits ein ganz ähnliches Argument entwickeln, wie es der algorithmischen Informationstheorie zugrunde liegt:
Es ist zunächst festzuhalten, daß die gewünschten Intelligenzleistungen, wie in Abschnitt 5.2 skizziert wurde, von einem solchen nicht-algorithmischen System gleichermaßen abgefordert werden können sollte. D.h. zumindest unter anderem soll das System auf diskrete Eingangssignale mit bestimmten diskreten Ausgangssignalen reagieren.
Mithin läßt sich auch hier festhalten, daß ein Intelligenzverhalten einer bestimmten Kolmogoroffkomplexität gefordert wird. Das Argument der Vertreter der analog/asynchron-Systeme ist nun, daß unter den nicht-algorithmischen Voraussetzungen ein System sich zu einem entsprechend intelligenten System entwickeln kann, was unter algorithmischen Voraussetzungen nicht möglich sei.
Wenn nun die dritte der obigen Bedingungen benutzt wird, so läßt sich
festhalten, daß nicht nur dieses eine - intelligente (komplexe) -
Verhalten
möglich ist, sondern daß auch Systementwürfe möglich sind,
die zu anderen Verhaltensweisen führen.
Nimmt man jeweils einen spezifischen Systementwurf für
jedes mögliche resultierende Verhalten an,
so kommt man zu einer 1:1 Abbildung von Systementwurf und
später - nach einer `selbstorganiserenden Intelligenzentwicklung' -
zu dem resultierenden Verhalten.
Sei das resultierende intelligente Systemverhalten durch n Binärzeichen beschreibbar. Dann gibt es 2n verschiedene mögliche Systemverhalten und damit muß es mindestens auch 2n verschiedene Systementwürfe geben. Dabei korrespondiert dann ein Systementwurf jeweils zu einer möglichen Verhaltensspezifikation. Wenn man nun davon ausgeht, daß ein sich erfolgreich selbstorganisierendes System durch einen einfachen Entwurf beschrieben werden kann, so kommt man zu dem folgenden Schluß:
Den 2n verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten stehen damit 2n verschiedene Systembeschreibungen gegenüber. Das heißt, die allermeisten Systembeschreibungen sind notwendigerweise mindestens von der Länge n bei binärer Beschreibung.Nach Voraussetzung ist aber gerade das intelligente Systemverhalten durch ein System von einfacher, d.h. kurzer Systembeschreibung zu erreichen.
Daher müssen die allermeisten längeren Systembeschreibungen zu Systemen führen, die sich nicht zu intelligenten Systemen selbstorganisieren.
Somit wären die einfachen Systeme, diejenigen Systeme, die sich selbst zu komplizierten intelligenten Systemen entwickeln.Im Gegensatz dazu müssen sich jedoch die vielen verschiedenen von vornherein komplizierten Systeme selbst zu einfachen oder komplizierten, aber in jedem Fall unintelligenten oder dummen Systemen entwickeln !
Eine solche Situation würde bedeuten, daß die Intelligenz weniger in der Systemstruktur liegt, als mehr in einem `wundersamen' Analogsignal, das aus irgendeinem physikalischen oder biologischen Element erzeugt wird. Würde man dieses Analogsignal digital darstellen, so erhielte man eine unendliche Ziffernreihe, die alle Intelligenz der Welt in sich trägt. In LiVitanyi[LV88] wird eine solche Zahl, aus der beispielsweise alle korrekten Entscheidungen für eine Menge von formal unentscheidbaren prädikatenlogischen Formeln abgeleitet werden können, auch als `number of wisdom' bezeichnet. Dort wird allerdings nicht über die Intelligenz einzelner biologischer oder physikalischer Entitäten spekuliert. Es sei noch angemerkt, daß es keineswegs genügt, irgendeine Zeichenkette unendlicher algorithmischer Information zu haben; die Dekodierung der `Weisheit' aus der Zeichenkette muß sich wiederum algorithmisch einfach bewerkstelligen lassen.