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Diskussion und Schlußfolgerungen
Es wurde in den Theoremen in Unterabschnitt 6.3.2
gezeigt, daß das folgende Problem
bei der Entwicklung universeller Lerntheorien vorhanden ist. Je größer
die Komplexität der zu bestimmenden Hypothese ist, desto kleiner ist der
Einfluß der spezifischen Lerntheorie für die Hypothesenbestimmung.
Umgekehrt heißt das, daß mit der Komplexität
der zu bestimmenden Hypothese, der erforderliche (algorithmische) Informationsgehalt, der aus
den Erfahrungsdaten gewonnen werden muß, überproportional ansteigt.
So mag eine gegebene Lerntheorie als gut brauchbar für die Erklärung oder
Vorhersage von Lernvorgängen in stark eingeschränkten Bereichen
sein, sie wird jedoch zunehmend ihren Wert verlieren, wenn die zu lernenden
Hypothesen in ihrer Komplexität ansteigen.
Für kleine Aufgaben ist das Lernverfahren in der Regel vom Entwickler
gerade so entworfen, daß es funktioniert.
Es steckt sozusagen ein großer Teil der erforderlichen algorithmischen
Information des Lernergebnisses bereits im Algorithmus.
Wenn der Algorithmus dann für komplexere Aufgaben eingesetzt werden soll,
muß überproportional viel Information aus den Daten
gewonnen werden, da der `Anfangsvorteil' für die Testaufgabe
verloren geht. Dies führt dann zu erheblich schlechteren Lernleistungen,
als man aufgrund der Experimente in den abgegrenzten Bereichen
erwartet hatte.
Das Lernverfahren kann also für eine Miniwelt erklären, wie aus wenigen
Beispielen richtig generalisiert wird, versagt jedoch bei
der Erklärung von Lernprozessen im Alltag.
Die Komplexität der unbekannten Zielhypothesen
wird regelmäßig ansteigen, wenn die vorhandenen
Phänomene und die verwendete Beschreibungssprache der fraglichen Situationen
umfangreicher wird. Dann erfordert die Auszeichnung einer bestimmten
Phänomenklasse gegenüber den übrigen Phänomenen gewöhnlich
eine ausführlichere Beschreibung, z. B. die Angabe von mehr
charakteristischen Eigenschaften.
Auch die folgende Beobachtung läßt sich im Rahmen dieses
geschilderten
Sachverhaltes interpretieren:
Lernprozesse bei Versuchen in Skinnerboxen lassen sich verhältnismäßig
gut erklären und vorhersagen, während solche Theorien keine sinnvollen
Voraussagen mehr liefern, wenn die fraglichen Lern- bzw. Anpassungsprozesse
in komplizierterer Umgebung stattfinden.
Dennett [Den71,Den87] fordert aufgrund dieser Beobachtung,
eine intentionale Beschreibungsebene für die Erklärung
von Verhalten bei komplexen Systemen. Allein durch die
Wahl der Beschreibungsebene jedoch ist nach dem Invariance Theorem
der algorithmischen Informationstheorie noch nichts gewonnen.
Der Vorteil der intentionalen Beschreibungsebene läßt sich
wohl eher darin sehen, daß dadurch die Nutzung einer sehr
umfangreichen Theorie ermöglicht wird, die jedoch nicht in ihrem
gesamten Umfang expliziert wird.
Der größte Teil der Theorie wird im menschlichen Hintergrundwissen
bleiben, das für die Interpretation des dagegen nur kleinen explizierten
Teils benötigt wird.
Die intentionale Ebene wirkt dadurch besonders
geeignet, da in der menschlichen intersubjektiven
Verständigung tatsächlich das Hintegrundwissen nicht
expliziert werden muß.
Dadurch mag
die Beschreibungsebene
der intentionalen Zustände fälschlicherweise
als Lösungsmöglichkeit des Problems erscheinen.
Denn für eine operationale Theorie des menschlichen Denkens oder die
Entwicklung eines entsprechenden KI-Systems, muß auch das
Hintergrundwissen expliziert werden.
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Achim Hoffmann
2002-07-12