Next: Bildverstehen
Up: Die künstliche Intelligenz
Previous: Automatisches Beweisen
Verstehen natürlicher Sprache
Auf diesem Gebiet versucht man Programme
zu entwickeln, die gesprochene oder geschriebene Sprache, wie sie als Verständigungsmittel zwischen Menschen gebraucht wird, zu `verstehen'. Der
Terminus `verstehen' hat schon vielfach in der nicht nur philosophischen Literatur Grund zum Anstoß gegeben. Hier wird häufig behauptet, daß Maschinen
grundsätzlich nicht dazu in der Lage sind, etwas zu verstehen. Daß
Computer mit formalisierten Sprachen wie der Sprache der Prädikatenlogik oder
einer Programmiersprache umgehen können, steht schon lange außer Zweifel.
Das `Verstehen' natürlicher Sprache jedoch hat bisher erheblich mehr
Schwierigkeiten in sich geborgen als man zu Anfang erwartet hatte. Wurde
Ende der fünfziger Jahre doch noch euphorisch damit gerechnet, daß man in
wenigen Jahren Maschinen hätte, die in der Lage sind, Texte einer Sprache
in eine andere Sprache - z.B. Englisch in Deutsch - zu übersetzen.
Als die Versuche nicht den erwarteten Erfolg zeitigten, wurde man bescheidener. Es stellte sich heraus, daß für die Übersetzung eines Textes in eine
andere Sprache die Analyse der grammatikalischen Struktur der einzelnen
Sätze in Verbindung mit einem Wörterbuch bei weitem nicht ausreicht.
Beispielsweise müssen Zusammenhänge, die sich über den gesamten Text erstrecken
können, richtig eingeordnet werden. Referenzen können in bestimmten Fällen
nicht aufgrund der grammatikalischen Satzstruktur, sondern nur
aufgrund der Inhalte richtig aufgelöst werden.
Als die amerikanischen Regierung Bar-Hillel damit beauftragte, ein Gutachten über die Erfolgsaussichten solcher Anstrengungen zu
schreiben, wurden in den USA,
als Folge von Bar-Hillels Gutachten Bar-Hillel[BH64], die Gelder
für Forschungsaufträge auf diesem Gebiet radikal gestrichen.
Nichtsdestotrotz erwachten die Versuche Systeme zu bauen, die natürliche
Sprache verarbeiten, zu neuem Leben, als in den 70er Jahren Terry Winograd
mit seiner Dissertation über Sprachverarbeitung einen neuen
Ansatz ausarbeitete Winograd[Win72]. Zur Demonstration seines Ansatzes
in seinem System SHRDLU wählte er eine Mikrowelt, in der es
eine beschränkte Anzahl von verschiedenfarbigen, unterschiedlich
großen und unterschiedlich geformten Holzblöcken gab, die in einem abgegrenzten Raum beliebig angeordnet werden konnten. Das System sollte einen
Roboterarm steuern, der die einzelnen Blöcke bewegen konnte. Nun konnten
Fragen an das System gestellt werden, die sich auf geometrische Lagebeziehungen zwischen einzelnen Blöcken bezogen. Dem System konnten auch
Anweisungen in natürlicher Sprache gegeben werden, wie es die Position der
Blöcke verändern solle. Bemerkenswert war dabei, daß das
System nicht
nur die Anweisungen, die in einem Satz gegeben wurden, ausführte, sondern
es stellte auch Mehrdeutigkeiten in Anweisungen fest und versuchte solche
Mehrdeutigkeiten durch das Herstellen von Bezügen zu dem bisherigen `Gesprächsverlauf'
aufzulösen. Die Richtigkeit dieser Schlüsse ließ sich das
System vom Benutzer jeweils bestätigen.
Winograds Arbeit ließ selbst Bar-Hillel an seinem früheren Gutachten
zweifeln.
In der Folge stellte sich jedoch heraus, daß sich bei der
Erweiterung von Winograds Blockwelt auf umfangreichere
Anwendungsbereiche erhebliche und
bisher unüberwindliche Schwierigkeiten einstellten, welche hauptsächlich auf
das sehr umfangreiche, zusätzlich notwendige `Wissen' zurückzuführen sind.
Mittlerweile hat Winograd selbst Abstand von seinem Ansatz genommen und
vertritt die Ansicht, daß der Versuch, Systeme zu entwickeln,
die natürliche Sprache verarbeiten,
unfruchtbar sei WinogradFlores[WF86].
Next: Bildverstehen
Up: Die künstliche Intelligenz
Previous: Automatisches Beweisen
Achim Hoffmann
2002-07-12